»Die Känguru-Chroniken« von Marc-Uwe Kling

Buchbesprechung., Die Welt der Bücher.

Wenn man mit einem Känguru zusammenwohnt, erlebt man was.

Wenn das Känguru auch noch dereinst im Vietcong dabei war und an einem neuen kommunisti­schen Manifest arbeitet, ist Konflikt mit der staatlichen Obrigkeit vorprogrammiert.

Daß er mal mit einem hüpfenden Beuteltier die eigene Bude teilen würde, hätte Marc-Uwe nicht gedacht. Und es fing doch so harmlos an: eines Tages klingelte das gerade gegenüber eingezogene Känguru an seiner Tür, bat um Eier für Eierkuchen. Und um Salz, Milch und Mehl. Pfanne und Öl wären auch toll. Einen Ofen hat das Känguru aber auch nicht, warum also nicht einfach bei Marc-Uwe kochen. Und so ist die ungewöhnliche WG schneller entstanden, als dem Erzähler lieb sein konnte.

In über achtzig Episödchen schildert Marc-Uwe als Chronist – hin und wieder unterbrochen vom Kanguru, das sich falsch zitiert sieht – das turbulente Leben der beiden. Und da wird eine High-So­ciety-Party gecrashed, die Axel-Springer-Gedächtnisstätte abgefackelt und über das unsinnige We­sen der geldverdorbenen Gesellschaft palavert. Geld hat das Känguru aus Prinzip keines – weswe­gen Marc-Uwe immer zahlen darf.

»So ist das in der Welt. Der eine hat den Beutel, der andere das Geld.« (S. 64)

Eines ist das Buch des Kabarettisten Marc-Uwe Klings allemal: sehr amüsant. Und verrückt. Ach ja, und: systemkritisch.

Daß es sich lang auf den Bestsellerlisten hielt, ist bei den »Känguru-Chroniken« (Ullstein) durch­aus verständlich, ist es doch eine leicht bekömmliche, witzige und unterhaltsame Lektüre, die sich schnell runterlesen und verstehen läßt. Dazu gesellt sich noch die durchaus hörenswerte Hörbuch­fassung, gelesen vom Autoren selbst, der dem Känguru ein fast liebenswertes stimmliches Antlitz zu geben versteht.

Die Episoden, die meist nicht länger als eine Doppelseite sind, stehen für sich genommen allein und sind nur locker chronologisch und thematisch miteinander verknüpft, wobei sich diese Verbindun­gen als Running Gags durch die Texte ziehen. So vergißt Marc-Uwe immer wieder den Namen sei­ner Großmutter, den er dann gern bei Wikipedia sucht; zwischen den beiden WG-Genossen ent­brennt wiederholt der Streit, wer mal wieder mit der lästigen Hausarbeit dran ist; und das Känguru futtert unentwegt Schnapspralinen und selbst ein kalter Enzug scheint wirkungslos. Die Kulisse bleibt zumeist auch immer in den eigenen vier Wänden, in denen die beiden Protagonisten unent­wegt fachsimpeln, streiten, sich langweilen oder auch mal gepflegt nichts tun.

Gerade Marc-Uwe ist im Umgang mit der eigenen Person nicht zimperlich und nimmt sich mehr als einmal ins humoristische Kreuzfeuer, wenn er sich als abrackernder Kleinkünstler mal wieder auf den Unfug des Kängurus einläßt oder seine verrückten Aktionen unterstützt.

Eine charakterliche Entwicklung können beide Gegen- und Mitspieler nicht wirklich erleben, dafür fußt die Erzählung zu deutlich auf gerade den fixen Charakterzügen, die von Anfang an klar umris­sen werden. Das funktioniert hier aber gerade durch die Fokussierung auf den Schlagabtausch und die Diskussionen. Dabei ergibt ein vermeintlich nichtiger Anlaß oft amüsante systemkritische und ironische Bemerkungen, bei denen die Richtung schon durch die Charaktere vorgegeben ist.

Man muß als Leser schon eine wenigstens halbwegs pulsierende Ader für gesellschaftskritische und politische Fragen haben, darf aber keine Ernsthaftigkeit vom sprunghaften Känguru und seinem Chronistenbegleiter erwarten.

Wir fliegen von Berlin-Schönefeld nach Berlin-Tegel. Wollen da im gleichnamigen See baden. Durch den Frühbucherrabatt war der Flug einen Euro billiger als S-Bahn fahren. Als wir das Ticket für die S-Bahn zum Flughafen lösen, beschleicht mich der unangenehme Verdacht, irgendei­nen Denkfehler gemacht zu haben. (S. 73)

Der Denkfehler ist jedem sofort ersichtlich – nicht nur, weil er eben klar auf der Hand liegt, sondern weil man möglicherweise schon selbst einmal diesen Fehler gemacht hat. Und genau in diesen Mo­menten guter Beobachtungsgabe Klings erkennt man sich in den Figuren wider.

Marc-Uwe Kling trifft mit seinen Erzählungen um ein politisch engagiertes und radikales Känguru sicherlich den Nerv der Zeit. Seine Erzählungen aus der Sicht Marc-Uwes sind pointiert und knackig kurz, der Sprachstil nah am, wie man so schön sagt, Menschen auf der Straße und seine Ideen werden amüsant aufbereitet. Da werden auch literarische Versuche gemacht, wenn die beiden über das Wesen der Erzählperspek­tive streiten und das Känguru seinem Kompagnon vorwirft, doch nur im egozentrischen Ich zu schreiben, will dieser ihm gleich das Gegenteil beweisen.

»Sagen Sie nichts«, sagte Marc-Uwe. »Sie wollen mich fragen, ob ich den Rest Ihres Käsekuchens haben möchte.«
»Woher weißt du das?«, fragte der Fremde mit rauer Stimme.
»Ich bin der allwissende Erzähler«, sagte Marc-Uwe.
»Soso«, sagte der Mann. »Weißt du also auch, wohin und für wen die Busse und U-Bahnen unterwegs sind, auf denen ›Betriebsfahrt‹ und ›Nicht einsteigen‹ steht?«
»Äh… äh…«, sagte Marc-Uwe. »Also… äh…«
»Bist du dir sicher, dass du wirklich ein allwissender und nicht vielmehr ein unzuverlässiger Erzähler bist?«
(S. 65f.)

Das alles läßt sich rasch und in jeder Lebenslage lesen, unterhält und bespaßt. Ein bißchen beschleicht einen auch das Gefühl, daß, damit der Autor nicht wie sein literarisches Pendant irgendwann einen Psychologen aufsuchen muß, er all dies zu therapeutischen Zwecken niederschrieb.

Dabei bleibt es aber bei allem Humor und jeder Schmunzeleinheit ob der teilweise wirklich wundervollen Ideen kein Buch, das Eindruck bei mir hinterließ. Es war flüchtig, aber nichts, was mich fesselte und auch über die Seiten hinaus begeisterte. Man kann es lesen, um mitzureden oder auch, wenn man eine Buchserie immer beendet haben will, die nachfolgenden zwei Bände, in denen der böse kapitalistische Pinguin gejagt wird, zu konsumieren. Aber für mich werden die linken Känguru-Chroniken zurück ins Bücherregal meiner Freundin wandern.

 

Live. Love. Be. Believe.

Eure Shaakai.

 

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