Als der jungen Frances einst von einer Jahrmarktswahrsagerin vorhergesagt wurde, daß sie irgendwann umgebracht werden würde, begann sie, ein Verzeichnis anzulegen und Informationen über alle Personen zu sammeln, die je mit ihr Kontakt hatten, damit im Falle ihrer Ermordung eine Ermittlung stattfinden kann.
Und Frances hatte recht: sechzig Jahre nach der Weissagung wird sie ermordet in ihrer Villa aufgefunden. Ihre Großnichte Annie noch vorher als Erbin eingesetzt, findet jene sich plötzlich in der Rolle der Ermittlerin wieder, die den Mord um Tante Frances aufklären muß, da sonst das Erbe auf dem Spiel steht.
Tja, selbsterfüllende Prophezeiung, mag man meinen. Und daraus strickt Kirsten Perrin den so eben erschienenen Krimi »Das Mörderarchiv« (Rowohlt 2024). Für Liebhaber gemütlicher Krimis, einem großes Personen-Potpourri und ländlicher Kulissen. Perrin versucht, jedem Charakter Farbe zu geben und sie passend in die Geschichte einzufügen und ihnen sogar Charakterentwicklungen zuzusprechen. Für die Erzählung in der Jetzt-Zeit ist das gelungen, allerdings wirkten für mich die Figuren, die zu uns aus den Tagebucheinträgen der 60er sprachen, reichlich progressiv und flapsig – das Gefühl, daß ich da Menschen beim Handeln und Reden zuschaue, die über sechzig Jahre in der Vergangenheit liegen, kam da nicht auf.
Und mit dem Tagebuch komme ich noch auf ein weiteres Problem zu sprechen. Das im Titel angekündigte Mörderarchiv spielt keine Rolle. Im Grunde hätte die gute Frances sich die viele Mühe schenken können. Die Lösung findet Annie allein im Gespräch mit den Dorfbewohnern und durch das oben erwähnte Tagebuch der Tante. Das Archiv mit all‘ seiner versprochenen Informationslast ist nur dafür da, um hin und wieder von einigen Leuten verzweifelt aufzubrechen versucht zu werden.
Natürlich darf auch die Schwäche der Protagonistin für starke, schöne, maskuline Männer wieder nicht fehlen. Ob Streß, Gefahr oder einfach nur Zeitdruck – immer nimmt sich Annie doch noch die Zeit, trotz aller Widrigkeiten und wichtigerer Dinge, zuckende Muskeln oder ein Lächeln des charmanten Polizisten einfach zum Dahinschmelzen zu finden, sodaß sie sich gar nicht mehr recht konzentrieren kann.
Man kann gern miträtseln, sich von der Geschichte treiben lassen und von unsympathischen Verdächtigen zu netten Dorfbewohner mit seiner Vermutung wechseln – das ist unterhaltsam, bringt aber am Ende nichts. Vielleicht errät man zufälligerweise den Täter, aber die Geschichte selbst lotst den Leser nicht dahin und gibt auch keine dienlichen Hinweise. Trotz allem ist die Auflösung interessant und glaubhaft und am Ende freut man sich, daß aus fast allen Personen doch noch anständige, liebenswerte Charaktere geworden sind, die ihr Leben trotz Widrigkeiten meistern.
Kein Roman, der die Zeiten überdauern wird oder neue Grenzen auslotet, aber ein gemütlicher Krimi, der einem schöne Lesestunden beschert und gerade für Leser des Genres nicht uninteressant sein dürfte.
Live. Love. Be. Believe.
Eure Shaakai